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Klassische Geschäftsmodelle basieren auf den 4 Ps des Marketings: Product, Price, Place und Promotion. In der Zwischenzeit sind Ansätze entstanden, diesen 4-Klang des strategischen Marketings um weitere Ps zu erweitern. So gesellen sich zu den 4 Ps auch strategische Felder wie People oder Process. Die Ansätze scheinen gerade in der Digitalisierung durchaus nachvollziehbar, allerdings unterliegen alle Modelle einem fundamentalen Irrtum. Die Richtung stimmt nicht, will man in der Digitalisierung erfolgreich sein. 

Die 4 Ps des Marketings verlieren an Traktion

Die Ausrichtung der Marketinginstrumente erfolgt bei den klassischen Geschäftsmodellen mehrheitlich von der Unternehmensseite zum Kunden. Produkte, Dienstleistungen bzw. Geschäftsmodelle werden auf Grundlage von Unternehmenszielen entwickelt und die Marketinginstrumente sollen dann den Kunden überzeugen oder begeistern. Die 4–7 Ps des Marketings übernehmen dann die Funktion von Stellschrauben, welche sich im Rahmen der Unternehmenszielsetzung justieren lassen. Eine beliebte Schraube ist hierbei die sprichwörtliche Preisschraube, an der so lange wettbewerbsgetrieben rumgedreht wird, bis man sie schließlich in der Hand hält. Nicht selten fallen dann auch die Geschäftsmodelle auseinander und der Exitus droht. Dieses Szenario lässt sich insbesondere im Retail beobachten, dessen Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung oft massiv betroffen sind.

Die 4 P des Marketings

Die klassische Verwendung der 4 Ps des Marketings hat im Zeitalter der Digitalisierung ausgedient. Denn sie liefern oft nur noch eine bedingte Traktion, was sich besonders am klassischen Marketing etablierter Unternehmen ablesen lässt. Im Zeitalter von Preistransparenz (Price), Werbeverweigerern und selbstbestimmtem Medienkonsum (Promotion) oder einer zunehmenden Anzahl selbstähnlicher Produkte (Product) verwundert dies nicht wirklich. Neue Marktteilnehmer gewinnen im Gegenzug oft schnell an Marktanteilen und disruptieren ganze Branchen. Die etablierten Marktteilnehmer drehen währenddessen oft verzweifelt an ihren 4 Ps, ohne damit etwas entgegensetzen zu können.

Kundenerlebnisse

Was läuft bei Unternehmen der Digitalisierung anders? Ganz einfach: 1 x Customer Experience ersetzt die 4 Ps des Marketings. Das heißt, der einzige Parameter, der für die Digitalisierung maßgeblich über den Wettbewerbserfolg entscheidet, ist die Qualität der Kundenerlebnisse – des Customer Experience (CX). Die Einwände lauten dann häufig: „Es ging doch schon immer um den Kunden.“ Aus meiner Sicht stimmt das nicht wirklich: In der Regel steht klassischerweise am Anfang das Unternehmen mit seinen Produkten und Prozessen. Der Kunde soll anschließend zum Kauf gefügig gemacht werden. Dies geschieht z. B. durch justieren der Preisschraube (Price) oder durch hohen Werbedruck (Promotion) bzw. Warendruck (Place). Das hat mit echter Kundenzentrierung wenig zu tun, ist aber nach wie vor eine gängige Praxis insbesondere im Retail.

Start-ups und digital getriebene Unternehmen, die verstanden haben, worum es heute geht, setzen die Kundenorientierung an den Anfang des Geschäftsmodells und leiten dann die 4 Ps des Marketings ab. Das ist sinnvoll, denn wenn die o. a. Parameter kaum noch Kundenrelevanz oder Uniqueness haben, so liegt der Wettbewerbsvorteil in der Schaffung von positiven Kundenerlebnissen. Diese Erlebnisse schaffen Marktanteile, prägen nachhaltig das Markenbild und schaffen Kundenbindung gleichermaßen. Da das Businessmodell von Kundenseite heraus für Begeisterung oder effiziente Problemlösung sorgt, wird auch die Preisfindung toleranter. Und das ist gut für die Marge.

Die 4 P des Marketings in der Digitalisierung

Der Kampf um den Kunden wird auf dem Mehrkanal-Feld ausgetragen

Wie in der Grafik dargestellt, ist das Kundenerlebnis direkt an der Omni- oder Multichannel-Struktur des Unternehmens gekoppelt. Hier finden die unmittelbaren Erfahrungen, die der Kunde mit dem Unternehmen oder dem Wettbewerb macht, statt. Bedingt durch die Digitalisierung laufen insbesondere auf den digitalen Touchpoints auch die Interaktionen mit dem Geschäftsmodell des Anbieters ab. Die Qualität, Art und Ausprägung dieser Multichannel-Struktur ist für die Kundenzentrierung kritisch. Diese mehrdimensionale Kontaktebene des Unternehmens bzw. des Geschäftsmodells muss konsequent an den Bedürfnissen der Zielkunden und den Use Cases ausgerichtet sein. Bei komplexen Unternehmen tun sich hier massive Baustellen auf, welche auf die gesamte Organisation durchgreifen. Da das Businessmodell über eine Art Mehrkanal-Ökosystem repräsentiert wird, ist es plausibel, dass dieses konsequent den kanalspezifischen Kundenbedürfnissen entsprechen muss. Die 4 Ps des Marketing resultierend dann schlussendlich aus diesem Zusammenhang.

Fazit

Kundenzentrierung ist das Synonym für die Digitalisierung. Deshalb macht es auch Sinn, alle Instrumente des Marketings an der Customer Experience auszurichten und somit die Wirkungsrichtung umzudrehen. Das Kundenerlebnis findet – und das ist nicht neu – auf der Kanalebene zwischen Unternehmen und Umwelt statt. Was neu ist, sind die Vielfältigkeit, der autonome Umgang und die Gestaltungsmöglichkeiten des Customer Experience innerhalb der Kanäle. Hier findet der Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern – alten wie neuen – statt. Wer den Kundenerwartungen entspricht oder diese übertrifft, ist in der Digitalisierung angekommen.

Dirk Majchrzak

Dirk Majchrzak

Dirk Majchrzak ist Initiator und Herausgeber des Digital Directors Blog. Als Kommunikationswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Marketing ist er seit über 20 Jahren in als Agentur CEO, Managing Partner und Consultant für digitale Strategien tätig. Seine Expertise ist in der strategischen und konzeptionellen Entwicklung digitaler Marken-Kommunikation, sowie der digitalen Marketing-Transformation und der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle begründet. Weitere Infos finden Sie auf der Seite ->Herausgeber.

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