Nichts ist so beständig wie der Wandel. Dieses Zitat des griechischen Philosophen Heraklit trifft auch auf die Positionierung der Marke zu. Im Zeitalter der Digitalisierung erreichen gesellschaftliche Veränderungsprozesse noch einmal eine ganz neue Geschwindigkeit, der Druck auf statische Marken wächst. Im Spannungsfeld einer dynamischen Umwelt muss sich die Markenstrategie daher ständig neu ausrichten, um komplexen Kanälen und schwer zu durchschauenden Konsumenten gerecht werden. Im ersten Teil der Beitragsreihe „Agile Markenführung“ erläutere ich, wie Sie Marken-Management und Marketing-Instrumente in einer disruptiven Umgebung einsetzen.
Agile Markenführung bedeutet dem Anschein nach, dass sich die Strategie einer Marke ständig an den Marktverhältnissen bzw. an dem Zielgruppenverhalten ausrichtet. Das klingt zunächst nach einem massiven Paradigmen-Wechsel im Marken-Management, der augenscheinlich in ein Paradoxon enden muss. Zeichnet sich die starke Marke doch durch eine konturenscharfe Positionierung aus, die nicht zuletzt auf gefestigte Markenwerte, Konstanz und Berechenbarkeit Ihrer Signalfunktion basiert. Eine permanente Neuausrichtung der Markenstrategie konterkariert hingegen die Daseinsberechtigung einer Marke.
Behäbigkeit bestraft der Marken-Friedhof
Insbesondere im Kontext des Marken-Managements macht es durchaus Sinn, die Digitalisierung bzw. die digitale Transformation eher als eine digitale Evolution zu verstehen (Vgl. Beitrag: 3 Gründe warum die digitale Transformation viele Unternehmen ausbremst). Marken sind Teil der sozio-ökonomischen Evolution, der im 21. Jahrhundert durch die Digitalisierung mächtig eingeheizt wird. Allerdings haben sich Marken im Grunde schon immer im Kontext eines gesellschaftlichen Wandels hinterfragen und ggf. neu ausrichten müssen. Dieser Vorgang wird Relaunch oder auch Markenverjüngung genannt. Was sich jedoch geändert hat, ist die Geschwindigkeit des Wertewandels, einhergehend mit einem äußerst dynamischen Wandel des Kommunikations- Rezeptions- und Konsumverhaltens der Gesellschaft.
Heute steht die Marke fast wie ein Dinosaurier inmitten einer sich ständig neu erfindenden – agilen – Umwelt. Mit einer nie dagewesenen Komplexität an Kommunikationskanälen, dynamischen Netzwerken und kaum noch greifbaren, multioptionalen Konsumenten muss sich die etablierte Marke gegen eine wachsende Zahl agiler Startups behaupten. Disruption ist eine der Umweltveränderungen des digitalen Darwinismus, die schon so manchen schwerfälligen Marken-Dino ausgerottet hat. Denken Sie nur an Nokia, Agfa, Kodak oder Quelle!
Die schwierige Suche nach der Zielgruppe
Die zunehmende Fragmentarisierung von kommunikativen Sub-Netzwerken, Stilgruppen und Lebensentwürfen bis hin zur Größe 1 erschwert die Adressierung von Zielgruppen. Niklas Luhmann lässt grüßen! Beschleunigt doch die Digitalisierung die Ausdifferenzierung des Individuums in der Gesellschaft massiv. Für das Marken-Management gilt zwar schon lange im Kontext von Positioning-Strategien; Ausdifferenzieren, Ausdifferenzieren, Ausdifferenzieren – doch nun muss das operative Marketing dem auch in zunehmend granularer Weise gerecht werden.
Marketing-Instrumente neu organisieren
Auch die Marketing-Instrumente selber sind einer nie dagewesenen Dynamik ausgesetzt. Nimmt man nur mal die zentralen 4 P (Product, Price, Place, Promotion), so wird schnell klar, dass hier die Instrumente der Marken-Exekution wesentlich agiler eingesetzt werden müssen als vor 10 oder 20 Jahren.
Hier drin ist nun auch das Spannungsfeld zwischen der Marke als ein eher statisches Konstrukt und der dynamischen Umwelt zu sehen. Wie auch schon in unserer Beitragsserie zur „Agilen Organisation von Frank Best“ (vgl. Beitrag „Agile Organisationsformen erfordern Bewusstseinswandel im Unternehmen“ & Beitrag „Warum Digitale Markenführung eine Corporate Text-Strategie braucht“) dargestellt, bleibt der Marke als Teilsystem eines sich verändernden Ökosystems gar keine andere Wahl als seine interne Organisations-Struktur und die darin ablaufenden Prozesse an die agile Umwelt anzupassen.
Maßnahmen ständig auf Relevanz prüfen
Richten Sie das Marketing-Instrumentarium der Marke daher sensorisch und dialogisch aus! Wird in der sogenannten „Marktbearbeitung“ weiterhin auf eine langfristige Penetration der Markenwerte gesetzt und der Response in den Zielmärkten nicht direkt gemessen, interpretiert und in Relation zwischen Zielgruppe und Marken DNA gesetzt, läuft die Marke Gefahr, an Relevanz zu verlieren. Ein schleichender Prozess, den Sie kaum bemerken. Für ein Überleben in einer dynamischen und agilen Umwelt sind unmittelbare Rückkopplungsprozess daher unabdingbar!
Hier können Marken von Lean Startup Methoden der Startups lernen und profitieren. In Bezug auf die Marken-Führung heißt das kurz zusammengefasst: die Maßnahmen über Marketing-Instrumente in kleineren Batchgrößen (Kampagnen, Flights, etc,) auf Ihren Response auf Relevanz zu messen. Im nächsten Schritt anzupassen und wieder zu messen. Zeichnet sich so über die generierten Werte eine Product/ Brand-Market-Fit ab, kann die Marke Ihre Marktdurchdringung messbar erhöhen.
Fazit
>Früher waren die Märkte sauber aufgeteilt, das Verhalten der Konsumenten war monokausal und in Kohorten sauber abbild- und berechenbar. Der Digitalisierung ist es zu verdanken, dass sich das sozio-ökonomische Konstrukt „Marke“ heutzutage einer nie dagewesenen Marktdynamik stellen muss. Richten Sie die Marketing-Mechanismen in Ihrem Unternehmen daher so aus, dass sich die Marke im digitalen Darwinismus behaupten kann. Die Marketing-Instrumente liefern der Markenführung dabei wichtige Informationen über den Markt und seine Beziehung zur Marke. Mehr denn je kann das Marken-Management bei entsprechend etablierten Messmethoden und Fallback Prozessen hier wichtige Insights für eine zukünftige evolutionäre Ausrichtung der Marke generieren.
Im 2. Teil der Artikel Serie erfahren Sie, welche Methoden etablierte Marken von Lean-Start-Ups lernen können, ohne das eigene Profil zu verwässern.