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Die Diskussionen rund um das Thema Content Marketing sind diffus. Jeder hat sein eigenes Stückchen Wahrheit und beharrt auf seiner Position. Die Verunsicherung ist groß, der Aktionismus auch, bei Kunden und bei Agenturen. Dabei gerät nicht zum ersten Mal in Vergessenheit, worum es im Kern eigentlich geht: um die Befriedigung von Bedürfnissen und Erwartungen von Kunden oder anderen Interessengruppen im Sinne einer Marke oder eines Unternehmens.

Kennen Sie das? Sie sitzen in einem Meeting und haben das Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben. Mir geht es in jüngster Zeit häufiger so. Dabei ist es weniger ein Déjvu Erlebnis, sondern eher ein Gefühl, das der Titel des großartigen Songs der Propellerheads gemeinsam mit der famosen Shirley Bassey auf den Punkt bringt: „History Repeating“.

Dabei sein war alles

Ich bin kein „Digital Native“, sondern ein Frühgeborener, der sich noch gut erinnern kann, wie sich das Leben ohne Internet anfühlte. Aber ich erinnere mich genauso gut und gerne an die wilden 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. So auch an die einsetzende Digitalisierung der Kommunikation. Zum Beispiel an erste Gebrauchsanweisungen auf Disketten, an die ersten CD-ROMs oder die Geburt des Internets.
Dabei hatte ich als Agenturvertreter das Privileg an geradezu legendären Meetings mit Kunden teilnehmen zu dürfen, die dieses Internet unbedingt kennenlernen wollten. Das Interesse war groß, die Ahnungslosigkeit auch. Auf beiden Seiten.

Da waren junge Kreative die getreu dem Motto: „Vergessen Sie alles, was Sie über Kommunikation gelernt haben. Im Internet funktioniert das anders!“ alles in Frage stellten. Es wurde einfach gemacht, getextet, gelayoutet und programmiert. Verbraucher oder Strategien spielten eine untergeordnete Rolle, das Corporate Design und das Logo wurden gerne einmal nach Gutdünken angepasst. Der Kunde staunte und ließ es geschehen. Hauptsache online. Dabei sein war alles.

Die ewige Diskussion um Hype oder Innovation

Und es gab Unternehmen, die angesichts der Kosten für die erste eigene Webpräsenz verärgert ihr eigenes Internet bauen wollten. Manche wollten auch nicht wahrhaben, dass das Internet eine völlig neue Qualität der Kommunikation mit dem Kunden ermöglichte. Andere kanzelten das Internet ganz einfach als völlig überschätzen Hype ab. Bis weit in das erste Jahrzehnt dieses Jahrtausends hinein rühmten sich einige Unternehmen und Agenturen damit, auch ohne Internet überlebt zu haben.
Das alles erinnert mich an die aktuelle Diskussion rund um das Thema Content Marketing in den Fachmedien. Als Buzzword und überschätzen Hype verunglimpfen es diejenigen, die um ihre Pfründe fürchten oder vor erforderlichen Umstrukturierungen zurückschrecken. Als Allheilmittel postuliert wird es von denjenigen, die schon immer gewusst haben, dass die Zeiten klassischer Kampagnen vorbei sind. Denn Werbepausen sind schließlich Pinkelpausen.

Man möchte den Streithähnen zurufen: Entspannt Euch! Helft Euren Kunden erfolgreich zu sein. Verkauft! Denn darum geht es doch immer noch, um das Verkaufen von Produkten, Dienstleistungen, Überzeugungen oder auch Werten. Akademische oder selbstreferenzielle Diskussionen helfen da nicht wirklich weiter.

Mit gutem Content näher an der Zielgruppe

Dabei waren die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kundenansprache noch nie so gut wie heute. Die Erhebung und Auswertung entsprechender Daten und Informationen vorausgesetzt, wissen wir so viel über Kunden und potenzielle Kunden wie niemals zuvor. Wir kennen ihre Bedürfnisse, ihre Präferenzen, können relevante Insights generieren und wissen wo wir unsere Kunden erreichen können. Wir können sie quasi an die Hand nehmen und auf ihrer Costumer Journey begleiten, natürlich auch über den Kauf hinaus.

Dank mobiler Devices und Applikationen können wir sie mit Services und Informationen dort unterstützen, wo es drauf ankommt. Wir können mit Ihnen auf Augenhöhe sprechen und ihnen sehr genau zuhören. Wir müssen das aber bitteschön auch tun. Denn nicht „Content is King“ sondern der Kunde bleibt König.

Mehrwerte für wen?

Content muss Mehrwerte schaffen, muss eine kontaktpunktspezifische Relevanz haben. Die Frage ist aber auch hier: Für wen? Für aktuelle Kunden? Für potenzielle Kunden? Für Multiplikatoren? Oder für Mitarbeiter? Und mit welchem Ziel? Zur Entwicklung einer tragfähigen Content- oder Kampagnen-Strategie müssen diese Fragen vorab eindeutig beantwortet werden.

Natürlich kann sich jeder Content Marketer parallel schon einmal Gedanken zur Marke und den USP machen. Er kann recherchieren wo passende, verwertbare Inhalte im Unternehmen schlummern und analysieren was der Wettbewerb so treibt. Relevanz entsteht aber erst wenn ausgewählte Adressaten in den Mittelpunkt gestellt werden. Erst dann können Content Quellen in spezifische Formate transferiert und über ausgewählte Kanäle entlang der Customer Journey distribuiert werden.
Alles kein Hexenwerk und eigentlich grundsätzlich nichts Neues. Aufgrund der Vielzahl von Möglichkeiten aber harte und disziplinierte analytische, strategische und letztendlich auch operative Arbeit inklusive iterativer Optimierungen. Ist das der Grund, warum die Realität häufig anders aussieht?


Denn es wird wieder getextet, gelayoutet, programmiert, zudem fotografiert, gefilmt, geschnitten, vertont und animiert. In der Regel entsteht dabei mehr Quantität als Qualität. Und ich werde deshalb das Gefühl nicht los, dass es häufig wieder darum geht, erst einmal dabei zu sein. Alles andere wird dann schon. Irgendwann einmal. Und dann beschäftige ich mich auch mit den Bedürfnissen meinen Kunden. Ehrlich.

Fazit

Ein kundenzentriertes Agieren war noch nie so wichtig aber auch noch nie so einfach wie heute. Auf Basis von Kunden- bzw. Nutzer-Daten ist die Erstellung eines kontaktpunktspezifischen Koordinatensystems die Grundlage für tragfähige Strategien, Strukturen und Prozesse. Diese ermöglichen, nachhaltig und wiederholbar relevante, situative Content-Formate zu entwickeln. Definieren Sie deshalb möglichst messbare Ziele und Zielgruppen. Analysieren Sie ihre Adressaten und Kontaktpunkte auf Basis von Daten und/oder Befragungen so gut wie möglich, bevor Sie in Abgleich zu Ihrem Alleinstellungsmerkmal eine differenzierte Content-Strategien entwickeln.

Kai-Uwe Bünting

Kai-Uwe Bünting

Kai Uwe Bünting hat sein Studium an der TU Berlin als Dipl. Medienberater 1989 abgeschlossen. Mit seiner langjährigen interdisziplinären Expertise (u.a. Pixelpark, BBDO) ist er als Berater für KMUs tätig. Zudem ist er Managing Partner der Content Marketing Agentur 2470media, entwickelt Content-Marketing-Strategien, Konzepte für digitales Storytelling und journalistische geprägte Formate.www.2470.media → LinkedIn → XING

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