Veränderung muss nicht schmerzhaft, zäh und widerständig sein. Wie wäre es, wenn man tiefgreifenden Change in jeder Organisation so inszenieren könnte, dass er schnell und mitreißend daherkäme? Veränderung, die tiefgreifend ist und sich doch leichtfüßig anfühlt, klingt unmöglich? Dann lassen Sie diese Konzepte auf sich wirken. In dieser Serie zeige ich Ihnen, wie Change alternativ gedacht werden kann.
Konzept 1: Change ist keine Reise. Es ist „ständiges Flippen“
Die am weitesten verbreitete Metapher zum Thema Change: eine lange Reise. Das Ziel: ein weit entfernter Ort, welcher in ferner Zukunft liegt. Der Weg ist lang und beschwerlich. Da ist es nur konsequent, dass wir uns mit Blueprints und Change-Landkarten bewaffnet auf die Reise machen. Mit Projektplänen und Gantt-Charts gerüstet, brechen wir auf in unbekanntes Terrain.
Diese Methode idealisiert und trivialisiert Change als linearen und kontrollierbaren Prozess. Change lässt sich aber nicht bis ins kleinste Detail planen, er muss stattfinden.
„Tiefgreifende Veränderung dauert nie mehr als 2 Jahre – ganz gleich, ob es um eine Organisation mit 20 oder 200.000 Menschen geht.“
Das Bild der Reise stellt Change einerseits als langatmig und zäh, andererseits als linear und zeitlich limitiert dar. Doch Veränderung kann auch schnell, mit wenig Aufwand im Hier und Jetzt stattfinden. Stellen Sie sich vor was passiert, wenn Sie ein wenig Milch in eine Tasse mit heißem Kaffee gießen – und wie durch diesen winzigen Anstoß sofort ein neues Muster, eine neue Ordnung entsteht. Das neue Muster ist vollkommen anders als das vorherige und die Veränderung ist permanent: Es gibt keinen Weg zurück. Diese Metapher versinnbildlicht Change als ein „Flippen von Jetzt nach Neu“. Wichtig daran ist: Sowohl Jetzt als auch Neu befinden sich in der Gegenwart – nicht in der Zukunft! Das Neue kann hier und jetzt produziert werden.
„Tiefgreifende Veränderung bedeutet vielfaches Flippen des Systems von Jetzt nach Neu – genau jetzt. Ein paar hundert mal.“
Konzept 2: Menschen leisten keinen Widerstand gegen Veränderung.
Heute betrachten wir Widerstand als ein psychologisches, individualisiertes Problem, als eine Art Persönlichkeitsdefekt. Wir personifizieren Widerstand als „Mitarbeiter gegen Manager“ oder „unten versus oben“. In diesem mentalen Modell sind es immer die anderen: Mitarbeiter „leisten Widerstand“, das Topmanagement ist „nicht ausreichend committed“. Solange wir dieses mentale Modell verwenden, vereitelt es ein besseres Verständnis von Veränderungsdynamiken, erhält den Status quo und die Dominanz hierarchischer Weisungen und der Misstrauensorganisation. Es wäre besser, wir würden auf den Begriff des Widerstands ganz verzichten – und uns konstruktiven Vorstellungen von Veränderung zuwenden.
Versuchen wir es einmal: „Menschen leisten keinen Widerstand gegen Veränderung.“ Schaffen Sie es, das in Ihrem Kopf vor sich hin zu sagen? Das wäre schon mal ein Anfang! Aber was steckt hinter den irritierenden Verhaltensweisen, die wir in Change-Bemühungen typischerweise beobachten, wenn es sich dabei nicht um Veränderungs-Widerstand handelt?
Treten Sie gedanklich einen Schritt zurück, und Sie werden bemerken, dass die Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder überwiegend bewusst und intelligent sind – und sich auf andere Dinge als die Veränderung selbst beziehen. Menschen mögen dem Verlust von Status und formeller Macht Widerstand entgegensetzen – das ist für sich genommen intelligent. Aus Veränderung kann das Bedürfnis nach Weiterentwicklung erwachsen, welcher eventuell nicht angemessen adressiert wird. Es sind diese Dinge, mit denen wir es in Change wirklich zu tun haben: Machtstrukturen, Status, Ungerechtigkeit, Konsequenz, unsere eigene Idiotie, zentrale Weisung und Kontrolle, Lernen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die Vorstellung, dass Menschen sich Veränderungen widersetzen, ist durch die Sozialwissenschaften nicht belegt. Diese Vorstellung widerspricht sogar unserem wissenschaftlichen Wissen über die menschliche Fähigkeit zur Anpassung und Veränderung. Es ist ein Mythos, dass Menschen zum Widerstand neigen. Was existiert, das sind Symptome des Ringens mit Anpassung an das Neue – die jedoch nicht mit Widerstand gegen den Change selbst verwechselt werden sollten!
Der Mensch lehnt Veränderung nicht kategorisch ab. Er tut sich nur schwer damit, sie sich vorzustellen. Das ist der Grund, warum jede Veränderungsinitiative sich damit beschäftigen muss, Vorstellungskraft und Visionsfähigkeit zu kultivieren
Fazit
In diesem Artikel haben Sie erfahren, dass Veränderung im Unternehmen nicht zäh und langatmig sein muss. Und schon die Art, wie Sie über Change sprechen oder diesen denken, beeinflusst das Ausmaß, in dem Veränderung sich entfaltet – oder eben nicht. Wir wissen nun, dass Menschen Veränderung nicht kategorisch ablehnen, sie können diese nur schwer visualisieren. Deswegen ist die Kultivierung von Vorstellungskraft und Visionsfähigkeit so wichtig. Im nächsten Teil erfahren Sie, warum Probleme mit dem Change-Prozess praktisch immer im System begründet liegen und was Change und Netzwerken miteinander zu tun haben.