DM: Herr Bünting, immer wieder wurde im Kontext von Content Marketing durchaus kontrovers über den Spot „Heimkommen“ der Edeka aus der Feder von JungvonMatt diskutiert. Für die einen war es ein Paradebeispiel für Content Marketing für die anderen ein geschmackloser Tabubruch. Jetzt räumt der Spot gerade einen Preis nach dem anderen ab. Verdienterweise?
KUB: Wenn ich richtig informiert bin, wurde der Heimkommen mit dem „New Media Award“ für das beste Online Video, mit gleich doppelt Gold beim „Spotlight-Festival“, 3 bronzenen Pencils bei der New Yorker „One Show“ ausgezeichnet. Und der Nominierung beim „Deutschen Webvideopreis“ dürfte am 4. Juni ein weiterer Award folgen. Zu Recht!
Denn knapp 48 Mio. Views sind wirklich beeindruckend. Vor allem, weil sie freiwillig zustande gekommen sind und das für vergleichsweise kleines Geld. Der Spot hat offenkundig nicht nur den Nerv der Jurys, sondern auch den der Youtube- und Facebook-User getroffen. Er sorgt für Bekanntheit, aktualisiert und emotionalisiert die Marke und den Claim, topp Sympathiewerte inklusive. Dafür gebührt den Kollegen größter Respekt!
DM: Aber ist „Heimkommen“ deshalb ein herausragendes Beispiel für Content Marketing, wie es von einigen Ihrer Kollegen immer wieder zu lesen und zu hören war?
KUB: In meinen Augen ist der Film in genau den richtigen Kategorien ausgezeichnet worden. „Heimkommen“ ist ein Werbespot. Ein verdammt guter aber eben ein Werbespot, der für die Netzgemeinde produziert wurde. Mit Content Marketing in meinem Verständnis hat das wenig zu tun.
Denn Content Marketing begleitet den Konsumenten auf seiner Costumer Journey, im besten Fall mit situativen Kommunikations- und/oder Serviceangeboten entlang aller relevanten Kontaktpunkte auch über den Kauf hinaus. Je besser ich dabei Kunden und potenzielle Kunden kenne, umso besser kann ich diese Angebote auf ihn abstimmen.
Content Marketing folgt deshalb in Abgrenzung zum Wettbewerb einer dezidierten, umfassenden Strategie, die auf die Positionierung und das Markenversprechen des Absenders einzahlt.
Aber Content Marketing muss auf Grundlage dieser Strategie relevante Mehrwerte schaffen, muss informieren, beraten oder unterhalten. Im besten Fall sind diese Mehrwerte einzigartig, besonders differenzierend und tragen getreu dem Motto „You are what you share!“ zur Profilierung der Nutzer in ihrer Peergroup bei.
DM: Die kleine Geschichte, die in „Heimkommen“ erzählt wird, hat berührt und viele User animiert den Film zu teilen. Sie hat unterhalten und sie hat offensichtlich die erforderliche Relevanz für den User. Sind Geschichten nicht immer maßgeblicher Teil einer Content Marketing Strategie?
KUB: In der Tat! Content Marketing erzählt Geschichten. Absenderspezifische Geschichten in unterschiedlichen Kapiteln und Erzählformaten, auf diversen Plattformen und in allen relevanten Kanälen. Und nochmals ja, diese Geschichten müssen entweder unterhaltend daherkommen oder die Kunden unterstützen, ihnen Orientierung geben. Services können dabei durchaus Teil der Geschichte sein oder auf diese einzahlen. Dabei leiten sich möglichst alle Geschichten und Formate aus einer übergeordneten Dramaturgie ab, die alle Maßnahmen wieder erkennbar klammert.
Und Content Marketing ist kein „One Night Stand“, sondern dient dem Aufbau einer möglichst langfristigen Beziehung. Wie in einer echten Beziehung sind die Grundlagen Sympathie und Vertrauen, die sich ein Markenabsender erst einmal erarbeiten muss. Solitäre Maßnahmen reichen nicht. Oder ist Ihre Frau mit Ihnen glücklich und zufrieden, wenn Sie ihr einmal im Jahr einen Strauß rote Rosen schenken und sie ansonsten links liegen lassen? Wohl kaum. Deshalb ist die Interaktionsrate auch ein besserer Indikator für den Erfolg eines Stücks als nur die Anzahl der Views.
DM: Verstanden. Content Marketing ist also kontinuierliche Beziehungspflege mit Kunden und solche, die es werden sollen. Richtig?
KUB: Ja, die Kontinuität der Aktivitäten und die Nachhaltigkeit der Angebote sind erfolgskritisch. Dabei brauchen Investments in Content Marketing in der Regel ein wenig mehr Zeit um kommunikative Renditen einzufahren. Eine möglichst zeitlose Relevanz der Angebote (bspw. Tutorials oder White Papers) vorausgesetzt, wachsen diese allerdings – ganz im Gegensatz zur klassischen Werbung – immer weiter an.
Aber um es noch einmal deutlich zum Ausdruck zu bringen: Content Marketing dient nicht nur der Beziehungspflege, sondern soll letztendlich natürlich verkaufen. Dabei spielen für mich Ehrlichkeit, Authentizität und Glaubwürdigkeit heute eine zentrale Rolle. Werbliche Überhöhungen und Zuspitzungen können dann kontraproduktiv wirken, wenn diese nicht plausibel durch nachgelagerte Informationen oder Services geerdet werden.
DM: Also könnte der Edeka-Spot mit seinem fiktiven, überhöhten und sehr werblichen Plot Edeka wohlmöglich schaden oder an der Glaubwürdigkeit der Marke kratzen?
KUB: Nein, soweit würde ich nicht gehen. Aber nochmals: Mit Content Marketing hat das für mich nichts zu tun. „Heimkommen“ ist und bleibt nichts anderes als ein klassischer, herausragend produzierter Werbespot für das Netz, der dank seiner vergleichsweise kostengünstigen Verbreitungskanäle in Kurzfilmlänge erzählt werden konnte. Er packt die Menschen in ihrer vorweihnachtlichen Stimmung, erinnert jede Tochter und jeden Sohn daran, dass dieses Weihnachtsfest das letzte mit dem Vater, der Mutter oder den Eltern sein könnte und inszeniert auf diese ungesehene und Tabu brechende Art und Weise Weihnachten mit Nachdruck als Fest der Familie. Inklusive Festessen, versteht sich, mit der Edeka als Enabler.
Aber daran ist nichts Verwerfliches. Ganz im Gegenteil. Als Werbespot hat er über die Social Communities herausragend funktioniert. Für den Kunden Edeka und für JungvonMatt. Daran gibt es angesichts der knapp 48 Mio. Views und der vielen Auszeichnungen keinen Zweifel. Ich würde mich nur freuen, wenn sich langsam ein halbwegs einheitliches Verständnis von Content Marketing entwickeln würde. Diskussionen wie die Ende des letzten Jahres sorgen nur für unnötige Verwirrung.
DM: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dirk Majchrzak.